erbaut 1909/1910 nach einem Entwurf des  Architekten Hans Prutscher


DER ARCHITEKT

Hans Prutscher (*5 Dezember 1873 in Wien, + 25 Jänner 1959 ebenda) war der Sohn eines Tischlermeisters, der Architekt Otto Prutscher war sein Bruder. Er erlernte das Tischler-, und danach das Maurerhandwerk, als Architekt war er Autodidakt. Er arbeitete zunächst bei verschiedenen Bauunternehmen und Architekturbüros in der österreichischen Monarchie, in England und in der Schweiz. Ab 1898 war er selbständiger Bauunternehmer und von 1911-1958 leitete er den väterlichen Tischlereibetrieb. 

In der Architekturszene war Hans Prutscher das erfolgreichere „Spiegelbild“ seines jüngeren Bruders Otto Prutscher. Im Gegensatz zu diesem konnte er durch seinen gesellschaftlichen Umgang wichtige Auftraggeber für sich gewinnen. Schon früh hatte Hans Prutscher sich als der durchschlagkräftigere, effizientere Architekt erwiesen und baute in den wirtschaftlich prosperierendsten Wiener Gemeindebezirken.               

Vor dem ersten Weltkrieg baute Hans Prutscher vor allem Wohn- und Geschäftshäuser.        

Ein auffällig sachlicher Bau mit neoklassizischtischen Anklängen bekannt als "Paula Hof"  findet sich in Wien 7, Westbahnstraße 26,  erbaut 1912. 

Als hervorragende Leistung im Wohnhausbau gilt das Haus Neubaugasse 25, Wien 7, bekannt als "Elsahof", erbaut 1911. Der Bau zeigt eine durchgestaltete Putzarchitektur mit "münchnerischem" Einschlag (gedrechselte Holzsäulen bei den Fenstern), die in ihrem Charakter auch etwas vom "Realismus" der Architektur der zwanziger Jahre vorwegnimmt. 

Das Wohn- und Theatergebäude in der Lerchenfelderstraße 35, Wien 7, geht weit über den Formenschatz des Neubiedermeier hinaus und zeigt ein Formenspiel, das im Art-deco-Stil gipfelt. In der Flächenstruktur ist die Fassade eine Paraphrase auf den Fachwerksbau, der Kinosaal gehörte zu den schönsten öffentlichen Räumen dieser Art, sowohl Fassade als auch der Kinosaal wurden durch unsachgemäße Renovierungen entstellt.

Diese beiden Gebäude sind "das Modernste an Formfindung, was ein breites Erneuerungstreben in der Gestaltung der Wohnbauten seit 1919 in der Wiener Architektur hervorgebracht hat".


Nach dem Krieg baute Hans Prutscher vor allem Kirchen und Grabmäler.

Im Jahre 1915 die koptische Markuskirche  (im Volksmund "Russenkirchlein" genannt) in Wien 22 Wagramerstraße 17, oder 1928 die Karmeliterkirche "Maria vom Berge Karmel" am Stefan Fadingerplatz, in Wien 10, diese war neben Josef Plecniks wegweisende Pfarrkirche "Zum heiligen Geist" auf der Schmelz, die zweite "Betonkirche" in Wien. Nach schweren Schäden durch eine Fliegerbombe 1945, wurde die Kirche 1957-1958 stark verändert wieder aufgebaut.

Fast in allen Bauwerken Prutschers, die Monumentalität beanspruchen, äußert sich ein gewisses religiöses Pathos, das in Inschriften und bildlichen Darstellungen zum Ausdruck kommt.

1926 erhielt Hans Prutscher  das Ritterkreuz des päpstlichen Gregoriusordens für seine Verdienste.

Sowohl als Tischler wie auch als Architekt war er bis ins hohe Alter tätig. So hat er 1953, 81-jährig den Wiederaufbau des Singer-Hauses (heutige Unicredit Bank Austria) in Wien 1, Stock-im-Eisen-Platz 3, geleitet.  

Hans Prutscher war ebenso wie sein Bruder Otto ausgebildeter Tischler.  Durch die Kenntnis des Handwerks entstanden nicht nur formschöne über der Zeit stehende Entwürfe, sondern es wurde auch stets auf materialgerechte und konstruktiv richtige Ausarbeitung geachtet. Die enge Zusammenarbeit mit seinem Bruder der Mitarbeiter der Wiener Werkstätte war, schuf hochbedeutende Bauten und Möbelentwürfe. 1909 entwarf Prutscher für die Firma J.&J. Kohn (Erzeugung von Möbeln aus gebogenem Holz) und 1909-1910 für die Firma Ludwig Schmitt diverse Möbel. Seine Möbel waren wiederholt auf Ausstellungen zu sehen. Die Qualität der Entwürfe überzeugte Josef Hoffmann, der in Folge die Brüder Prutscher persönlich weiterempfahl.                                            

Der gegenwärtige Kunstmarkt hat die Bedeutung der Arbeiten der Prutschers erkannt und dementsprechende Preise werden für deren Arbeiten erzielt. 2015 wurde im Wiener Dorotheum ein Kabinettschrank, Entwurf Prutscher, um den Spitzenpreis von € 255.000 versteigert. 

Als Kunsthandwerker im Umkreis der Wiener Werkstätte setzte sich Hans Prutscher auch intensiv mit den Gestaltungsmöglichkeiten der keramischen Materie auseinander, so dass er Hauptdesigner des Verkaufslokals und der Ausstellungsfläche der Tonwarenabteilung der Vereinigten Wiener Keramikhersteller  wurde. Das künstlerisch hochbedeutende Verkaufslokal lag am Stubenring und wurde sowohl im "Der Bautechniker" als auch im "Der Architekt",  den Zeitschriften der Wagnerschule publiziert. 

Die grafische sezessionistische Gestaltung des Verkaufslokales gehört zu den Spitzenwerken der Wiener Werkstätte und ist in seiner Formensprache analog zu dem Eingangsbereich der Otto Wagners Postsparkasse oder dem Fassadenausschnitt des Mittelrisalits des Lupuspavillons des Wiener Wilhelminenspitals zu sehen .

Die prächtig modellierten Adlerfiguren, die sich sowohl in der Möbelausstellung fanden als auch im Geschäftslokal, und oberhalb des Kamins aufgestellt waren, wurden von Wienerberger Ziegelfabriks- und Baugesellschaft hergestellt und gewürdigt.

Diese Adlerfiguren finden sich auch an den Pylonen des Eingangstores zur VILLA MERAN wieder und setzen heute einen ebenso bedeutenden Akzent wie zur Zeit der sezessionistischen Kunsthandwerksausstellungen im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts.

Im Jahr 1910 machten Prutschers Gestaltungen auf der Keramischen Ausstellung auf dem Gelände der Wiener Rotun de Furore: Die Firma S.Steiner in Wien hat die luxuriöse, in großer Farbenpracht hergestellte Küche eines fürstlichen Jagdschlosses (Entwurf von Arch. Prutscher) ausgeführt.  Die Wände sind mit hell- und dunkelgrünen Fliesen verkleidet, die Kochmaschine weist einen aparten Fliesendekor auf. Originell ist der breite Jagdfries in harmonischer Farbgebung. Hübsch wirken auch die Nischen aus braunem Steinzeug, der Wandbrunnen und der geschmackvolle Bodenbelag. Im Ganzen ist sowohl den ausstellenden Firmen, als auch den schaffenden Künstlern, voran dem entwerfenden Architekten Prutscher für die schöne Leistung volles Lob zu spenden. (Nach Mitteilungen des Herrn Julius von Bük) .

WERKE  (Auszug)

Quelle: Architektenlexikon/Architekturzentrum Wien


WOHN-/GESCHÄFTSBAUTEN:


1902

Miethaus, Wien 18, Köhlergasse 5

um 1903

Miethaus Wien 6, Gumpendorferstraße

1904-1905

Miethaus, Wien 1, Franz-Josefs-Kai 5 (mit Hermann Stierlin)

1908

Villa Kreczy, Wien 13, Münichreiterstraße 19 (damals Unter-St.-Veiter-Allee)

1909/1910

VILLA MERAN, Klosterneuburg, Herthergasse 5

1910

Portal und Geschäftslokal der Buchhandlung Frick, Wien 1, Graben 27 (zerstört)

1910

Umbau Schloss Datschitz, Mähren / CZ (Freilegung der Kolonnaden)

1911

Miethaus „Elsahof“, Wien 7, Neubaugasse 25  

1911

Wohn- u. Geschäftshaus C. Fromme, Wien 5, Nikolsdorfergasse 7

1912

Bekleidungshaus Grünbaum, Karlsbad, Böhmen / Karlovy Vary, CZ

1912

Miethaus „Paula-Hof“, Wien 7, Westbahnstraße 26

1912-1913

Miethaus mit Kinosaal, Wien 7, Lerchenfelderstraße 35

1913

Schloss Heroldeck, Hof, Millstatt, Ktn.

1913

Miethaus „Bei den zwei Linden“, Wien 4, Danhausergasse 10

1913

Hoftrakt bei Villa, Wien 18, Dr. Heinrich-Maier-Straße 33

1913-1914

Wohn- u. Geschäftshaus, Wien 1, Friedrichstraße 4

1924-1925

Geschäftslokal Juwelier Hügler, Badgastein, Staubingerplatz, Sbg.

1953

"Singer-Haus", Wien 1, Stock-im-Eisen-Platz 1
(Wiederaufbau und Innenausstattung)


ÖFFENTLICHE BAUTEN:


1908

Portal , Wien 1, Stubenring

1909

Grabmal Stidl, Hoheneich, NÖ

1909

Grabmal Familie Prutscher, Wien

1911

Österreichischer Wirtschaftsverlag C. Fromme,
Wien 5, Nikolsdorfergasse 7-11

1915

Notkirche („Russenkirchlein“), Wagramerstraße 17, Wien 22

1924-1926

Klosterkirche zum Göttlichen Heiland, Wien 7, Kaiserstraße 23 (Erweiterung und Ausstattung)

1926

Kloster der Töchter des Göttlichen Heilands, Wien 7, Kaiserstraße 25-31

1928

Minoritenkonvikt, Antoniuskapelle, Wien 8, Alser Straße 17 (das Innere zerstört)

1928-1942

Karmeliterkirche Maria vom Berge Karmel, Wien 10, Stefan-Fadinger-Platz 1 (nach Kriegsschäden 1957/58, Umgestaltung durch Helene Koller-Buchwieser)

1929-1931

Kirche St. Josef, Bodensdorf am Ossiacher See, Ktn.

1931

Inzersdorf-Neustifter Pfarrkirche Maria, Hilfe der Christen, Wien 23, Don-Bosco-Gasse 14 (1948 Umbau durch Josef Vytiska, 1966 Erweiterung durch Herbert Schmid)


INDUSTRIE-/GEWERBEBAUTEN:


1914

Möbelfabrik J.Müller, Wien 6, Webgasse 35


INNENRAUMGESTALTUNG/DESIGN:


1904

Wildbrethandlung Zitterbart, Wien 6 (Vestibül, Innenraumgestaltung)

1909

Möbelentwürfe für die Firma J.&J. Kohn

1913-1919

Domcafé, Wien 1

1911

Herrenmodengeschäft Berecz & Lobl, Wien 1

um 1911

Hutgeschäft Heinrich, Wien 1

um 1911

Delikatessenhandlung Mathias Stalzer, Wien 1

um 1911

Schirmgeschäft Carl Hägendorfer, Wien 1

1928

Kassensaal der Wiener Städtischen Elektrizitätswerke, Wien 6, Esterházygasse 25


NICHT REALISIERTE PROJEKTE:


1899

Studie zur „Dogmenkirche“

1899

Fassadenstudie

1903

Villa Caton, Tulln, NÖ

1903

Café-Terrasse am Wiener Donaukanal


DER BAUMEISTER

In der Regel oblag die Koordinierung der Bauausführung in dieser Zeit einem Baumeister, der auf den Einreichplänen  mit gesonderter Unterschrift vertreten ist. Im Fall der VILLA MERAN waren mit J.u.C Schömer sowohl Carl als auch Josef Schömer vertreten. Die bedeutenden Baumeister der Stadt Klosterneuburg zeichneten sich auch für den Stiftskirchenumbau nach Plänen des Ringstraßenarchitekten Friedrich v. Schmidt sowie den Geschirrhoftrakt des Stiftes nach eigenen Plänen aus. Josef Schömer wurde nach dem ersten Weltkrieg Bürgermeister und Mäzen der Stadt Klosterneuburg.

Das 1987 in Klosterneuburg/Weidling nach den Plänen des Architekten Heinz Tesar errichtete "Schömer Haus", diente der Baustoffhandlung Schömer & der Baumarktkette Baumax bis 2015 als Verwaltungszentrum. Bis zur Eröffnung des Essl Museums 1999,  wurde die Eingangshalle als Ausstellungshaus der Sammlung Essl genutzt. 1959 heirateten Agnes Schömer  und Karlheinz Essl und schufen eine der größten Kunstsammlungen Österreichs.


DER BAUHERR | DIE EIGENTÜMER

Das singuläre Aussehen der VILLA MERAN ist vor allem dem Bauherren Herrn Wilhelm Schröder zu verdanken. Schröder war ausgebildeter Hafnermeister und Ofensetzer und wurde 1909 Stellvertreter der Wienerberger Ziegelfabrik- und Baugesellschaft.

Im Laufe der Geschichte kam es zu mehreren Besitzerwechseln, die jedoch alle das Bauerbe in Ehre hielten und nur geringfügig veränderten.

Qualitätsvolle Häuser wie etwa Villen dienten in der Nachkriegszeit der Einquartierung von Militärs der Befreiungstruppen, so auch die VILLA MERAN, in die nach Überlieferungen, russische Militärs einquatiert waren. Ob die Funktionalität des qualitätvollen, gediegenen Interieurs oder die persönliche Bildung der wohl höherrangigen Militärs das Objekt vor Vandalismus schützte, kann letztendlich nicht mehr beantwortet werden.

Stiegenhaus
Fakt ist, dass die kostbare Fliesenausstattung des Stiegenhauses sowie der Wohneinheiten so gut wie unversehrt nicht nur über die Nachkriegszeit, sondern auch über die Modernisierungswellen der 1969 und 1970er gerettet wurde. Lediglich die West- und Nordfassade wurde mit einer reversiblen Eternitverkleidung modernisiert. Die aber den Vorteil erfüllte die dahinterliegende Originalfassade im Laufe der Jahre vor Wettereinflüssen zu schützen. 




DIE VILLA  MERAN

Die VILLA MERAN wurde 1909 bis 1910 nach dem modernen Konzept einer Mietvilla angelegt. Dadurch entfällt zwar eine in der Regel zweigeschoßige Halle, ist jedoch durch die Etagenstruktur für eine separierte Wohnnutzung nutzbar.

Die Modernität des Villenkonzepts liegt in der gleichrangigen Behandlung der vier Etagen. Diese weisen Grundrisse mit analoger Ausstattung auf, die in nahezu identer Qualität auf alle Regelgeschoße übertragen werden. Trotz der modernen Grundrisslösung wurde auf die zeitlose Eleganz der Symmetrie Wert gelegt. Der Baublock des Hauptbaues  wurde von leicht versetzten Loggien flankiert, die einerseits eine Terrasse  tragen und anderseits einen gedeckten repräsentativen Windfang boten.  


Diese Grunddisposition kann sehr wohl von Otto Wagners ersten Villa in der Wiener Hüttelbergstraße abgeleitet werden, die bereits 1886 als Einzelwohnhaus - ursprünglich ebenfalls mit ehemals offenen flankierenden Loggien - angelegt wurde. Die Modernität ist jedoch in ihrer Positionierung zu finden, die anstelle einer akademisch mechanischen absoluten Symmetrie eine Funktionale wählt. An jenen Zu- und Ausgängen wo die Zusatzarchitektur benötigt wird, wurde sie angedockt. Da der Gebäudeeingang mittig der Westfassade positioniert ist und der Terrassenausstieg des ersten Obergeschoßes an der Ostfassade aus der Mittelachse geschoben ist, ergibt sich der versetzte Charakter. Dabei bleibt jedoch die Symmetrie des monumentalen Mittelbaues unberührt.



Die Loggien des Mittelrisalits und die Wohnräume der VILLA MERAN sind hingegen nach Südost ausgerichtet, so dass der Blick über das Weidlingbachtal bis zum Höhenrücken der Sophienalpe weitergeleitet wird. Die kluge Positionierung der Villa an den Südosthang war nur möglich, da zu jener Zeit noch die idealsten Grundstücke zur Verfügung standen.




Die Außenarchitektur ist durch einen im Grundriss annähernd quadratischen Baublock betont, wodurch die optimale Raumausnutzung in Bezug auf die Wohnetagen und die Energie erzielt wurde.   

Der Mittelteil springt in einer sanften Welle leicht hervor und setzt sowohl einen architektonischen Akzent als auch eine Wohnraumerweiterung in Richtung des Tals. Nutungsstreifen bändern die Fassade, und in die Parabetfeldern zwischen den Fensteranlagen werden sezessionistische Scheibenelemente eingefügt. Dadurch ergibt sich eine straff gegliederte monumentale Wirkung von vornehmer Eleganz. Ihre Verklammerung erfolgt über das Sockelgeschoß, das ebenso wie das Kehlgesims mit Rieselputz bedeckt ist. Die Parabetfelder des Risalites sind mit vertikalen Fliesenstreifen bedeckt, sodass auf geschickte Weise eine Schattenfuge entsteht, die Balusterzwischenräume symbolisiert. Da dieses Motiv im Mansardgeschoß repetiert wird, ergibt sich eine in sich ruhende großzügige Wirkung. Es wird überdies um die Brüstung der südöstlichen Terrasse sowie dem Sockel der westlichen Eingangspergola geführt. Das dunkle Quadratmotiv wird im Sinne Hoffmanns leitmotivartig an den Mansardgaupen wiederholt und findet an den Pfeilern des vorgelagerten Zauns eine Reprise. Damit findet in der Bauausführung eine künstlerische Weiterentwicklung gegenüber dem Einreichplan statt, der noch eine klassische offene Balusterreihe am obersten Brüstung vorsah. 


Antikische Karyatiden

Antikische Karyatiden, die gekuppelt in die Seitenachsen des Risalites gesetzt sind, leiten den Mittelrisalit selbstbewusst in die Dachzone über.  Ihre Größe wurde allerdings durch die luftige Pergolaarchitektur gemildert, die nicht nur südliche Leichtigkeit suggerierte, sondern auch eine Reminiszenz an eine Weinlaube darstellte. Ihr Vorbild ist in den weltberühmten Karyatiden des Erechteion auf der Athener Akropolis zu finden. Aufgrund ihrer Bedeutung wurden sie bereits in römischer Zeit kopiert. Im Wiener Historismus wurden sie ab etwa 1860 unter Variationen der Kleidung unter Anleitung Theophil Hansens10 als Vorlage für Bauterrakotten modelliert.

Eine restauratorische Befundung von einem Gerüst aus könnte über Herstellerstempel Aufschluss über den Tonwarenhersteller geben. Da sie nicht im Wienerberger Katalog aufscheint, könnte sie von der Firma Brausewetter gefertigt worden sein, von der allerdings zurzeit kein Katalog bekannt ist.

Das Dach der VILLA MERAN ist nach den Vorbildern spätbarocker Walmdächer ausformuliert. Damit konnte ein zusätzliches Vollgeschoß gewonnen werden, ohne den Baukörper zu mächtig wirken lassen.                                        Das profilierte Gesims am Übergang der Walme von unterschiedlichen Winkeln ist entsprechend der Vorbilder aus dem 18. Jahrhundert in Holz ausgeführt.          

 Ähnlich den berühmten Bauten Ödön Lechners in Budapest oder anderen herausragend gestalteten Architekturen wurde mit einem geschickten Einsatz von glasierten Biberschwanzziegeln und Schmuckkappensteinen an Graten und Firsten ein flimmernder pretiosenhafter Abschluss des Gebäudes geschaffen .

Die Firstschmuckziegel können in einem historischen Wienerberger Katalog identifiziert werden.


Das Stiegenhaus ist bereits mit seiner aufwendigen der Innenausstattung formal Teil der exklusiven Wohnetagen, wird aber als separierter Erschließungsbereich aufgefasst. Die in zwei Grüntönen gehaltene Verfliesung schafft eine optisch beruhigende Situation, die von Landschaftsausblicken auf hochwertigen Künstlerfliesen bereichert wird.  Sie findet ihren Widerhall im Grün-Gold gefassten Stiegengeländer. Der Boden ist mit ornamentalen Feinsteinzeug mit hoher künstlerischer und technischer Qualität flächig bedeckt.



Rational durchdachte Grundrisse sind kennzeichnend für alle Wohnebenen. Die Vorzimmer fungieren multifunktional sowohl als Verteilerräume als auch als Eingangs- und Schmutzzonen. Sie wurden auf allen Ebenen mit einer der Reinigung entgegenkommenden Verfliesung ausgestattet. Es ist anzunehmen, dass sich unter den rezenten Decken- und Wandanstrichen bauzeitliche künstlerische Schablonenmalereien befinden.



Die Wohneinheit des ersten Obergeschoßes zeigt eine Verteilerhalle mit einem floral sezessionitischen Dekorboden mit verflochtenen Blättern, wie es in der Frühzeit der Wagnerschule um 1897 entwickelt wurde. Ihre Schmuckfläche ist durch einen nach antikisch römischen Vorbildern entlehnen Palmettfliesen gerahmt . Dadurch wirkt das Feld gleichsam gefasst und zusätzlich nobilitiert. Die in zwei Rottönen gehaltenen palmettartigen Bodenfliesen orientieren sich an antik römische Originale wie etwa jene berühmten Mosaikböden der Caracallathermen in Rom die oftmals publiziert wurden.

Bei den Fliesen handelt es sich um gebranntes Feinsteinzeug, dass eine wesentlich höhere Abriebfestigkeit besitzt als die kalt gepressten Zementfliesen.

Jede Etage ist mit einem großzügigen äußerst elegant angelegten Badezimmer ausgestattet. Zu der Primärausstattung gehören gemauerte und verflieste Wannen, eine WC- und Bidetanlage. Während das Grundkonzept der Luxusbadezimmer dem gehobenen Standard der Belle Époque entspricht, ist die farbige Fliesenausgestaltung als außergewöhnliches Unikum anzusehen und in der Person des Auftragsgebers festzumachen. Für die komplexen Fliesensysteme die bevorzugt mit den Mitteln der Felderung arbeiten, mussten genaue Fliesenpläne erstellt werden.


Die Wände des Badezimmers werden durch Felderrahmen in elegantem Bordeauxrot gegliedert. Sie umrahmen weiße Fliesenfelder mit blauer Dekorbemalung. Durch das Aufbrechen der roten Fläche ergibt sich eine optische Großzügigkeit und Weite, die durch das außergewöhnliche Design der Bodenfliesen in sparsamen Formen der Wiener Werkstätte unterstützt, wird.


 

Ein Kleinod stellt die in den historischen Plänen_TOP 1 als Bauernstube bezeichnete Zimmereinheit des Tiefparterre | Souterrain dar. Bereits ab 1905 wurden historische Regionalarchitekturen, vor allem des Biedermeiers auch durch die Wiener Werkstätte und die Wagnerschule beachtet und Thema ihrer Entwürfe. Im Sinne die- ser Auseinandersetzung mit der Reformstil- und Heimatschutzarchitektur der 1910er Jahre ist diese Stube zu sehen, die ihre Ausstattung in seltener Komplettheit bewahren konnte.


Eine Besonderheit stellen neben den sezessionistisch umtransformierten klassischen Einrichtungsgegenständen wie etwa der Standuhr, spolierte Bauteile aus der Zeit des Biedermeiers dar. Die einflügelige Eingangstüre mit messingen Kastenschloss ist ein weiterverwendetes Original aus der Zeit um 1810/20. Zu diesem Ensemble zählen auch die geschmiedeten Winkelbänder eines Innenfensters im Verteilerraum zur WC Anlage. Als primäres Ausstattungsmobiliar hat sich im Bereich der Fensterseite ein mit Fliesen ausgelegter Spieltisch als auch die beiden zugehörigen Stühle sowie im Vorraum eine schwarz gebeizte Bank mit Flieseneinlagen erhalten.

Die VILLA MERAN stellt in seiner Ausformulierung ein Unikum dar, dem ein Alleinstellungsmerkmal zugutekommt und in der Person des Bauherrn Wilhelm Schröder zu sehen ist, der Direktorstellvertreter der Firma Wienerberger war. Dadurch standen qualitätsvolle Keramikerzeugnisse zur Verfügung, die in eklektizistischer Weise in einer Villenanlage integriert wurden und die von einem hochbedeutenden Architekten der Wiener Werkstätte geplant wurde.


DER GARTEN

Die Gartenanlage ist von italienischen Villen mit Lauben und Verweilplätzen sowie Grottenanlagen stark beeinflusst. Die Elemente des südlichen Renaissancegartens wurden in die Zeit des frühen 20. Jahrhunderts übersetzt und neuartig - bezogen auf die Bauaufgabe einer luxuriösen Mietvilla - auf eine höhere Daseinsebene transponiert.


Die Grottenanlage in der nordwestlichen Pergola gegenüber des Hauseingangs tradiert renaissancezeitliche Ideen mit Elementen der frühen Moderne. Die Figur der Hebe mit Wasserkrug entstammt noch dem historistischen Repertoire Wienerberger, die Künstlerfliesen sind bereits von der Wiener Sezession geprägt.




 


Erhaltene Staffagefiguren wie die bei den liegenden Sphingen oder die Sitzbank entstammen dem Repertoire der Firma Wienerberger, das bereits 1861 in einem Firmenkatalog nachweisbar ist, und aufgrund der Nachfrage lange produziert wurde.


FRAUENBÜSTE VON RICHARD LUKSCH

Eine Besonderheit stellt die Frauenbüste des bedeutenden Bildhauers Luksch dar, die in die Sichtachse des Eingangstores gesetzt wurde Sie weist auf der linken Seite die Signatur RL, auf,die auf den Bildhauer Richard Luksch verweist.  Der Bildhauer der frühen Wiener Moderne arbeitete mit Otto Wagner und schuf unter anderem die teilvergoldeten Kupferskulpturen des hl. Leopold sowie des Severin auf der Steinhofkirche sowie die Büste des Kaisers Franz Josef im Vestibül der Wiener Postsparkasse. Darüber hinaus entstanden aus seiner Hand für das von Josef Hoffmann und der Wiener Werkstätte entworfene weltbekannte Brüsseler Palais Stoclet Keramikreliefs.


Richard Luksch "Frauenbüste"

 


Fliesen von Carl Schlimp

Die gelbtonigen viergeteilten Fliesen im Zugangsbereich zur VILLA MERAN stammen aus der bedeutenden Fabrik Carl Schlimps im ehemals niederösterreichischen Schattau, die auch Otto Wagners Stadtbahnverfliesung für die Begehungsbereiche fertigte  Aufgrund der speziellen Tonbeschaffenheit sind sie rutschsicherer als die ebenfalls frostsicheren Gangfliesen.




VERÄNDERUNGEN

Baumeister Carl Schömer führte 1929 mit der Errichtung des getrennten Zugangs zu dem oberhalb gelegenen Nebengebäude "Gesindehaus", die heute eine eigenständige Liegenschaft ist,   eine der letzten repräsentativen Baumaßnahmen durch.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde neben Modernisierungen der Haustechnik, Wert auf Substanzerhalt gelegt. Dabei wurden die Nord- wie die Westseiten der VILLA MERAN mit Eternitschindeln verkleidet. Dadurch ist die primäre Fassade darunter vor jüngeren Überfassungen geschützt worden und kann jederzeit freigelegt und partiell ergänzt werden.

Ansicht um 1915 inkl. Holzpergola und Pfeilerloggien

Die wohl verwitterte Holzpergola, die auf den Karyatiden aufsaß, wurde ebenfalls in der Nachkriegszeit entfernt.

Eine der letzten Interventionen stellte der Austausch der bauzeitlichen Fensteranlagen der Obergeschoße gegen Kunststofffenster dar. Die erhaltenen Fenster des Erdgeschoßes können im Zuge einer restauratorischen Untersuchung Auskunft über den primären Farbanstrich geben. Ebenso sind im Stiegenhaus sowie in den Wohnräumen überstrichene Schablonendekorationen an Decke und Wand anzunehmen.

Zuletzt wurden die offenen den Hauptbaukörper flankierenden Pfeilerloggien teilweise verglast und in die Wohnflächen integriert.  Im obersten Geschoß_ Top 4  wurde eine Terrasse geschaffen.

 



QUELLEN

-Bauwerksanalyse Kuttig _Villa Meran 16.12.2018

-Architekturzentrum Wien | Architektenlexikon Wien 1770-1945/Hans Prutscher

- Fotos:  private Sammlung, Bauwerksanalyse Kuttig, : "Foto: www.bauwerksfotografie.com", @bwag/wikipedia

- Amtsblatt der Stadt Wien: 27. April 1909 Gewerbe-Unternehmungen

- BDA Unterschutzstellungsbescheid: GZ.:40.377/1/2002

- Der Architekt 1909 Tafel 181

- Hans Prutscher, Friedrich Tiersch, Keramische Architektur Der Bautechniker Nr.2, 28.Jg., Fr. 13. 3. 1908

- Hans Prutscher: Der Bautechniker Nr.10, 29.Jg., S. 174,1909 "Ein Erzeugnis heimischer Keramik" 

- Hans Prutscher: Der Bautechniker Nr.34, 30.  Jg., Fr. 26. 8. 1910. Der Keramische Pavillon in der Jagdausstellung

- Schlimp, Carl: Ueber Thonwaaren, deren Erzeugung und Verwendung zu Bauzwecken.  Von Carl Schlimp Director  der ersten Schattauer Thonwaarenfabriks    Aktiengesellschaft . Vortrag, gehalten im Verein der Baumeister Niederösterreichs am 28. März 1901, in: Der Bautschniker Nr.18, 21.Jg. 1901

- Wienerberger, Firmenkatalog: Jahr 1861, Sammlung Kuttig

- Wienerberger Firmenkatalog: Jahr 1916, Sammlung Kuttig  


FUßNOTEN

1                           Der 2015 im Wiener Dorotheum versteigerte, nach Entwürfen Prutsches ausgeführte, Kabinettschrank erzielte den Spitzenpreis von €255.000,00

2                           Der Architekt 1908, Tafel 181

3                           Der Bautechniker Nr. Ii 13.März 1908                                                                                                                                                                                                                                    Keramische Architektur nach Arbeiten von Prof. Friedrich von Tiersch München und Architekt Hans Prutscher  Wien.

4                           Der Bautechniker Nr. II, 28. Jg. Fr. 13. März 1908

5                           Der Bautechniker Nr. 34, 30. Jg. Fr. 26. August 1910, S. 643

6                           Der Name geht auf die 1959 mit Karlheinz Essl verheiratete Agnes Schömer.zurück.

7                           Amtsblatt der Stadt Wien, Nr. 36, S.1171

8                          Die flankierenden Loggien scheinen zwar in der Ersteinreichung nicht auf, sind jedoch formal und mit ihren Schmuck fliesen als zum Hauptbau zugehörig zu sehen, dass von einer Umplanung noch während des Baugeschehens ausgegangen werden kann. Eine Bleistiftkorrektur im Haustechnikplan kann als weiters Indiz herangezogen werden.

9                          Dieser Baubestand weicht vom Einreichplan ab der im ersten Obergeschoß eine glatte Fläche und im reicheren Mansardgeschoß traditionellere Baluster vorsah. Die Einzelbaluster wären zwar einen engeren Dialog mit den ebenfalls traditionelle- ren Karyatiden eingegangen jedoch wäre die heutige geschlossenere Wirkung nicht möglich gewesen. Womöglich erfolgte die Umplanung mit dem Entschluss zum Anbau der beiden flankierenden versetzten Loggien die eine zusätzliche Dynamik in den Baukörper brachten. Aus dieser Sicht wäre der Entschluss des Architekten nachvollziehbar.

10              Hansen war vor seiner architektonischen Tätigkeit seinem Bruder Christian nach Athen gefolgt, wo neben Bauaufgaben vor allem mit Restaurierungsarbeiten und Forschungen auf der Athener Akropolis beschäftigt war. Diese prägende Arbeit beein- flusste sein bauplastisches Schaffen in Wien, wo er für Wienerberger sehr getreu zitierte antikische Bauornamente schuf.

11                      Feinklinker sind aus fettem Ton mit hydraulischen Pressen hergestellt und durch Einstreuen einer Farbschichte an der Ober- fläche gefärbt (...) Der Hauptbestandteil der Feinklinker ist ein fetter Steinzeugton, dieser Ton gibt auch die gelbe Farbe, die blaue Farbe wird durch Kobalt, die grüne und graue durch Chromeisenstein, die rothe durch Eisenoxyd in der Form von Bolus, das ist ein stark thonmergelhältiges Eisenoxyd welches in der in der Natur wie Thon vorkommt, die schwarze und braune Farbe durch Braunstein hervorgebracht etc., Carl Schlimp: Über Thonwaaren, deren Erzeugung und Verwendung zu Bauzwecken. In: Der Bautechniker XXI Jg. Nr. 18, S.401, 1901.

12                           vgl. Untersutzstellungsbescheid des Bundesdenkmalamtes GZ.:40.377/1/2002 S.  1

  




       

       

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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